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Agnes Miegel

Agnes-Miegel-Denkmal in Bad Nenndorf
Bildquelle: wikipedia.de Fotograf: Tortuosa CC-BY-SA

Agnes Miegel, am 9. März 1879 in Königsberg geboren, besuchte die Höhere Mädchenschule in Königsberg.

In Berlin zur Kinderschwester ausgebildet, Erzieherin in einem Mädcheninternat bei Bristol. Sie kehrte wegen Krankheit der Eltern an ihren Geburtsort zurück, wo sie die Jahre 1906 bis 1945 mit wenigen Reiseunterbrechungen verbrachte.

Journalistin und Schriftleiterin, ab 1927 freie Schriftstellerin, 1916 Kleist-Preis, 1924 Ehrendoktorwürde der Albertina, 1939 Ehrenbürgerin von Königsberg, 1940 Goethe-Preis von Frankfurt am Main.

1945 Flucht nach Dänemark, 1946 Aufnahme in Schloß Apelern. Lebte ab 1948 in Bad Nenndorf, 1954 Ehrenbürgerin, gestorben am 26. Oktober 1964 in Bad Salzuflen.

Eine detaillierte Biografie sowie eine übersicht ihrer Werke finden Sie auf der Webseite der Agnes-Miegel-Gesellschaft in Bad Nenndorf
www.agnes-miegel-gesellschaft.de


Originaltext aus "Agnes Miegel / Gesammelte Gedichte" von 1936

       Die Frauen von Nidden

Die Frauen von Nidden standen am Strand,
über spähenden Augen die braune Hand
Und die Böte nahten in wilder Hast,
Schwarze Wimpel flogen züngelnd am Mast.

Die Männer banden die Kähne fest
Und schrieen: "Drüben wütet die Pest!
In der Niedrung von Heydekrug bis Schaaken
Gehen die Leute im Trauerlaken!"

Da sprachen die Frauen: "Es hat nicht Not,
Vor unsrer Türe lauert der Tod,
Jeden Tag den uns Gott gegeben,
Müssen wir ringen um unser Leben.

Die wandernde Düne ist Leides genug,
Gott wird uns verschonen, der uns schlug!" - - -
Doch die Pest ist des Nachts gekommen
Mit den Elchen über das Haff geschwommen.

Drei Tage lang und drei Nächte lang
Wimmernd im Kirchstuhl die Glocke klang.
Am vierten Morgen schrill und jach
Ihre Stimme in Leide brach.

Und in dem Dorfe, aus Kate und Haus,
Sieben Frauen schritten heraus,
Sie schritten barfuß und tiefgebückt
In schwarzen Kleidern buntgestickt.

Sie klommen die steile Düne hinan,
Schuh und Strümpfe legten sie an,
Und sie sprachen: "Düne, wir sieben
Sind allein noch übriggeblieben.

Kein Tischler lebt der den Sarg uns schreint,
Nicht Sohn und nicht Enkel der uns beweint,
Kein Pfarrer mehr, uns den Kelch zu geben,
Nicht Knecht noch Magd ist mehr unten am Leben -

Nun, weiße Düne, gib wohl acht:
Tür und Tor ist dir aufgemacht,
In unsre Stuben wirst du gehn,
Herd und Hof und Schober verwehn.

Gott vergaß uns, er ließ uns verderben.
Sein verödetes Haus sollst du erben,
Kreuz und Bibel zum Spielzeug haben, -
Nur, Mütterchen, komm uns zu begraben!

Schlage uns still ins Leichentuch,
Du unser Segen, einst unser Fluch. -
Sieh, wir liegen und warten ganz mit Ruh" -

          Und die Düne kam und deckte sie zu.




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