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Originaltext aus "Führer durch Königsberg und Umgebung" 30er Jahre
- Geschichtliches -

Wappen der Stadt Königsberg (Pr.)

Unter der Ordensherrschaft.

Altpreußen, der am weitesten nach Osten vorgeschobene Grenzposten germanischer Kultur, ist eine urdeutsche Schöpfung. Das Kreuzschwert der Ritter des Deutschen Ordens hat es in hartem Kampfe erstritten, der Pflug der deutschen Kolonisten brachte es in Kultur und deutsche Einwanderer haben ihm germanische Art und Gesittung verliehen.

Es war im Jahre 1231, als ein Ordenskommando von wenigen Rittern und Knechten unter Anführung des Landmeisters Hermann Balk an der unteren Weichsel erschien und sich in der Gegend des heutigen Thorn festsetzte. Der Ordensmeister Hermann v. Salza hatte es abgesandt, um dem durch die kriegslustigen Pruzzen ständig bedrängten slawischen Herzoge Konrad von Masovien auf seine Bitte im Kampfe gegen die unruhigen Nachbarn beizustehen. Unterstützt durch Kreuzfahrer aller Nationen der Christenheit drangen die Eroberer unter steten Kämpfen, dem Laufe der Weichsel folgend, bis zum Frischen Haff vor. Bald waren die landwärts gelegenen Gaue dem Schwerte des Ordens erlegen. Nur das von Haff und See umwogte, wegen seiner Bernsteinschätze begehrte und stark befestigte Samland wies alle Angriffe erfolgreich zurück. Erst nachdem es geglückt war, den König Ottokar von Böhmen zur Annahme des Kreuzes zu bewegen, gelang es, den trotzigen Mut der Samen zu brechen.

Es mußte für die weiteren Unternehmungen des Ordens gegen das östliche Preußen von Bedeutung sein, in dem eroberten Lande einen festen Platz anzulegen, welcher den unterworfenen Stamm im Zaume hielt und seine Verbindung mit dem südlicher gelegenen Natangen hinderte. Sieben Kilometer von der Mündung des Pregels entstand so auf den Trümmern einer eroberten Preußenfeste im Jahre 1255 eine Ordensburg, die vielleicht im Hinblick auf die hilfreiche Unterstützung Ottokars, laut anderer Vermutung nach einem gleichnamigen Waffenplatz des Ordens im Orient, Königsberg genannt wurde. Heute trägt jene Stätte die Reichsbank, vor der sich das Denkmal Friedrichs I. erhebt.

Schon im Jahre 1257 erbaute der Orden östlich dieser provisorischen Verschanzung ein festes Haus in Ziegel und Stein dessen Westflügel vermutlich die Stelle der heutigen Schloßkirche einnahm.

Im Schutze der Burg war bereits 1256, vermutlich aus dem Lager der bei der Eroberung des Samlandes und beim ersten Burgenbau behilflich gewesenen Kreuzfahrer eine Siedlung, die älteste Anlage zur Stadt Königsberg, entstanden. Sie lag in der Gegend des heutigen Steindamms.

Diese junge städtische Siedlung ging bei einem Aufstand der Preußen in der ersten Hälfte des Jahres 1263 in Flammen auf. Sie ward, nachdem der Orden des Aufstandes Herr geworden, nicht mehr auf der alten, dem Angriffe der Samländer zu stark ausgesetzten Stelle errichtet, sondern auf dem Wiesenplane zwischen der schützenden Burg und dem Pregel von neuem gegründet. So entstand die heutige Altstadt. Ihr Gründungsprivileg entstammt dem Jahre 1226.

Der Strom deutscher Einwanderer ward bald so stark, daß ihn die Altstadt nicht mehr zu fassen vermochte. Am 27. Mai 1300 verlieh daher der Königsberger Komtur Berthold Brühaven einer neuen Gemeinde, die sich am Fuße des Mühlenberges ansiedelte, das Stadtrecht. So ward die Stadt Löbenicht. Die dritte und jüngste der drei Städte Königsberg, der Kneiphof, ward auf dem Vogtswerder, einer Pregelinsel, gegründet, woselbst der Vogt von Samland residierte. Ihr Privilegium stammt aus dem Jahre 1327.

Kurz nach der im Jahre 1309 erfolgten Verlegung des Hochmeistersitzes von Venedig nach Marienburg war die Burg Königsberg der Sitz des Ordensmarschalls geworden. Sie bildete den wichtigsten Stützpunkt der Ordensritter im Kampfe gegen die noch nicht unterworfenen östlichen Preußengaue und gegen das noch weiter östlich gelegene heidnische Litauen. Hier wurde nach vollbrachten Taten Rast gehalten. Hier deckte der Hochmeister seinen Ehrentisch, der die kampfesfreudige Jugend aller Herren Länder anlockte. So schwangen sich dann auch die Städte Königsberg zu Anfang des 14. Jahrhunderts zu erfreulicher Blüte empor. Die Altstadt war bereits 1340 ein geachtetes Glied der Hansa. Nach dem Verluste Marienburgs (1457) ward die alte Ordensfeste Königsberg ständiger Sitz der Hochmeister und erhob sich rasch zu der herrschenden Stellung einer Landeshauptstadt.

Die herzogliche Zeit.

Im Jahre 1512 war der letzte Hochmeister, der junge Markgraf von Brandenburg in das Königsberger Ordensschloß eingezogen, dessen Regierung für Preußen so bedeutsam werden sollte. Bereits 1523 wurde in Königsberg sowie im ganzen Lande, begünstigt durch den samländischen Bischof Georg von Polenz, die Reformation eingeführt, welcher auch der Herzog Albrecht beitrat, und am 10. April 1525 legte Albrecht das Ordenskleid ab un verwandelte den nicht mehr lebensfähigen Ordensstaat in ein weltliches Herzogtum.

Eine wissenschaftliche Zierde des jungen Herzogtums ward die 1544 mit 11 Professoren und 200 Studenten eröffnete alma mater Albertina. Mit dieser Hebung des Geistigen Lebens ging die des materiellen Wohlstandes Hand in Hand, und selbst die furchtbaren Pestepidemien, unter denen namentlich diejenigen der Jahre 1529 und 1549 sowie die späteren von 1602, 1620 und 1709 zu nennen sind, vermochten den fröhlichen Bürgersinn nicht zu ertöten.

Unter dem brandenburgisch-preußischen Regiment.

Im Jahre 1618 erfolgte die völlige Vereinigung mit dem Kurhause Brandenburg. Damit hörte Königsberg auf, ständige Residenz des Landesherrn zu sein.

Die Unzufriedenheit mit der brandenburgischen Herrschaft, die die Königsberger Bürgerschaft mit dem ostpreußischen Landadel zu gemeinsamem Widerstande zusammenführte, erreichte erst nach dem Frieden zu Oliva (1660) ihr Ende, als der Große Kurfürst durch Gewaltmaßregeln sich Gehorsam und die feierliche Huldigung der preußischen Stände in Königsberg erzwang (18. Oktober 1663).

Um die Mitte des 17. Jahrhunderts übte hier Simon Dach und sein Freundeskreis (musikalische Kürbislaube) die Dichtkunst in würdigster Weise. Sein tief empfundenes "Lied von der Freundschaft", noch mehr das fälschlich ihm zugeschriebene, volkstümlich gewordene "Ännchen von Tharau" klingen noch heute wider.

Das anbrechende 18. Jahrhundert brachte den Städten Königsberg eine glänzende Auszeichnung. Am 18. Januar 1701 setzte sich Friedrich I. in der hiesigen Schloßkirche unter beispiellosem Gepränge die Königskrone aufs Haupt. Der Krönung war am Vorabend Die Stiftung des Schwarzen Adlerordens, des höchsten Ordens in Preußen, vorausgegangen. Im Jahre 1724 erfolgte die Vereinigung der drei Städte Königsberg zu einer Stadtgemeinde.

Damals ward hier Königsbergs größter Sohn, der Philosoph Immanuel Kant geboren (Anm. Das Geburtshaus stand nahe der Sattlergasse, Vorstädtische Langgasse Nr. 64.), nach dessen Hauptwerk man Königsberg die "Stadt der reinen Vernunft" genannt hat. Die klassische Periode unserer Literatur ließ Königsberg nicht unberührt. Herder wirkte hier von 1762-64 als Lehrer am Fridericianum. Wunderbare Gegensätze trafen hier zusammen; neben dem Herrscher im Reiche der Vernunft, Kant, standen der dunkle Magus und Mystiker des Nordens, Hamann, Theodor von Hippel, zugleich Kantianer und Pietist. Der berauschende Romantiker E.T.A. Hoffmann und der problematische Charakter, der Dichter des besten Lutherdramas, Zacharias Werner, sind hier geboren und haben ihre Studien hier gemacht.

Der Siebenjährige Krieg hatte Ostpreußen in die Gewalt der Russen gebracht. Im Januar 1758 waren sie in Königsberg eingezogen, um die Stadt erst im Jahre 1762 wiederum zu räumen. Schwerer ward Königsberg jedoch in den Zeiten der napoleonischen Kriege getroffen. Der unglückliche Tag von Friedland (14. Juni 1807) eröffnete dem Eroberer den Weg zu Altpreußens Hauptstadt. Nach nutzlosem Widerstande hielten die Franzosen am 16. Juni unter Soult ihren Einzug in Königsberg, worauf eine entsetzliche Brandschatzung erfolgte. Schlimmer noch als die erschöpfenden Requisitionen war die Auferlegung einer Kontribution von 20 Millionen Franks, die später freilich herabgemindert wurde. Erst im Jahre 1900 erfolgte die Tilgung des Restes dieser Kriegsschuld, nachdem sie nahezu ein Jahrhundert die Stadt belastet hatte.

In jene denkwürdige Zeit des Aufenthaltes der Königlichen Familie in Königsberg (vom Januar 1808 bis Dezember 1809) fällt auch der Aufbau der neuen Organisation der preußischen Staatsverwaltung, die hier schon in ihren Grundzügen entworfen ward (hier wurde am 24. November 1808 die Städteordnung erlassen) und größtenteils auch bereits zur Ausführung gelangte.

Der Durchzug des französischen Heeres im Sommer 1812 vernichtete den Wohlstand der Stadt fast noch gründlicher als die Leidenstage von 1807. Noch im August beherbergte Königsberg eine regelmäßige Einquartierung von 12 000 nach Rußland ziehenden Franzosen, welche an die Leistungsfähigkeit der verarmten Bürger unerhörte Anforderungen stellten.

Bald jedoch naht für Königsberg eine große Zeit. Der erschütternde Untergang der "großen Armee" in den Eisfeldern Rußlands hieß Yorck in der Poscherungschen Windmühle bei Tauroggen den ersten Schritt zur Befreiung des Vaterlandes wagen. Unvergeßlich wird in der Geschichte Preußens bleiben, was sich im Februar 1813 in Königsberg zutrug: wie der ostpreußische Landtag sich begeistert um Yorcks Heldengestalt scharte (Anm. Landhofmeisterstraße 16-18. Das Haus trägt zur Erinnerung an den 5. Februar 1813 ein eisernes Kreuz mit den Worten: "Februar 1813.") und die Grundzüge der Landwehrordnung entwarf, wie die stille Saat des großen Philosophen in Männern wie Alexander und Ludwig v. Dohna, v. Schön, v. Auerswald, Bürgermeister Heidemann u. a. ihre Früchte zeitige und wie hier oben im Norden der gewaltige Sturm losbrach, welcher den so stolz aufgetürmten Bau der napoleonischen Tyrannei hinwegfegte.

Die Geschichte Deutschlands während der nächsten Jahrzehnte wird durch die Verfassungsfrage beherrscht. Königsberg war eine Zeitlang in den Vordergrund der ganzen Bewegung gedrängt und trat erst später die Führerschaft an Berlin ab. Hier in Königsberg erschien Theodor v. Schöns "Woher und Wohin?" sowie Johann Jacobys "Vier Fragen".

Am 18. Oktober 1861 setzte sich Wilhelm I. in der hiesigen Schloßkirche die Königskrone aufs Haupt.

Königsberg hat, abgesehen von den Kriegsleiden, wiederholt unter Feuersbrünsten, wie den im Jahre 1764 und 1811, schwer gelitten. Sie sind die Ursache, daß die Stadt weniger an alten Bauwerken aufweist, als man ihrem Alter nach vermuten dürfte. Von der alten Stadtbefestigung sind nur noch wenige Reste, wie der "Gelbe Turm" am Gesekusplatz, das Dombrückentor in der Badergasse und der seiner Spitze beraubte "Blaue Turm" an der Honigbrücke erhalten. Auch sind fast überall die alten Patrizierhäuser mit ihren die Straßen beengenden Beischlägen, den charakteristischen Giebeln und Erkern verschwunden, und moderne Bauten sind an ihre Stelle getreten. Auch die in den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts angelegten Festungswälle sind bis auf einige charakteristische Teile (z.B. das Sackheimer Tor, Königstor, Roßgärter Tor, den Dohnaturm, Wrangelturm, das Brandenburger Tor) niedergelegt. Die Stadt hat in den Jahren 1905 und 1927 größere Eingemeindungen vorgenommen. Ihr ist jetzt die Möglichkeit gegeben, sich weiter auszudehnen. Auf dem ehemaligen Festungsgelände erheben sich jetzt auch schon neue Häuserkomplexe (z.B. die zahlreichen Messebauten), und in nicht zu langer Zeit werden Straßenzüge und Häuserreihen das einstige Wallgelände vollständig unkenntlich gemacht haben.
Um die Stadt herum befinden sich die Villenkolonien Amalienau, Ratshof und das jüngst eingemeindete Juditten im Nordwesten und Maraunenhof im Nordosten am Oberteich. Auch diese Kolonien wachsen beständig. Im Zusammenhang mit diesem Wachstum der Stadt stehen die Erweiterungen der sanitären und vor allem der kommerziellen Einrichtungen. Letztere erstrecken sich vor allem auf die schon fertiggstellten Messebauten und auf die vollendeten Bahnhofs- und Hafenanlagen. Eine schnelle Verwirklichung aller Pläne ist jedoch durch den Krieg 1914/18 und seine Folgen stark gehindert, z.T. sogar in Frage gestellt worden. Königsberg war während des Krieges Operationsbasis. Oft konnten die Einwohner während der ersten Kriegsmonate den Kanonendonner von den östlichen und südlichen Schlachtfeldern hören. Viele Flüchtlinge hielten sich in den Mauern der Stadt auf. Am 9. November 1918 wurde auch hier die Republik ausgerufen und Volks- und Soldatenräte eingesetzt. Am 3. März 1919 wurde in Königsberg mit Gewalt Ruhe und Ordnung wiederhergestellt. Seitdem konnte die Entwicklung der Stadt in friedlicher Weise vorwärtsschreiten. Im Jahre 1924 zeigte sich der geistige Aufschwung in Königsberg trotz aller Not der Zeit bei der Gedenkfeier für Immanuel Kant an seinem 200. Geburtstage und bei dem Stadtjubiläum zur Erinnerung an die Vereinigung der drei Städte im Juni 1924.

Königsbergs Handel und Industrie.

Königsberg verdankt seine wirtschaftliche Bedeutung dem Hafen und den leistungsfähigen Verkehrswegen zu Wasser und zu Lande, die Königsberg mit Ostpreußen und seinem osteuropäischen Hinterlande einerseits und mit dem Mutterlande sowie den westlichen Ländern andererseits verbinden. Der neue Königsberger Handel-, Industrie- und Freihafen, der ein Gebiet von rund 1000 Morgen umfaßt, ist der modernste Hafen der Ostsee. Von seinen fünf Becken sind bisher drei mit einer Gesamtuferlänge von 3000 Meter fertig ausgebaut, das Becken III als Freihafen, das Becken IV als Industrie- und Handelshafen und das Becken V als Holzhafen. Beim Ausbau des Hafenbeckens IV ist besonders auf den Getreideumschlag Rücksicht genommen worden. Die dort errichteten Speicher sind mit den modernsten Einrichtungen und Maschinen für das Verladen und Veredeln von Getreide sowie für Reinigung, Trocknung und Sortierung von Hülsenfrüchten versehen und sind die größten Siloanlagen des Kontinents. Die seewärtige Verbindung des Hafenplatzes Königsberg mit der Ostsee vermittelt der Königsberger Seekanal, dessen Verbreiterung, Vertiefung und Befeuerung nach dem Kriege durchgeführt wurde. Der Kanal ist für Schiffe bis zu 8 Meter Tiefgang Tag und Nacht befahrbar und wird im Winter duch leistungsfähige Eisbrecher dauernd offengehalten. Darin liegt für Königsberg gegenüber den östlich gelegenen Häfen ein großer Vorzug, daß der Hafenverkehr auch bei stärkstem Frost nicht unterbunden wird. Die Verbesserung der Binnenwasserstraßen, insbesondere der Verbindung mit der Memel, ist im Gange, der Ausbau des masurischen Kanals, der die masurischen Seen, an deren Ufer sich große Waldungen befinden, unmittelbar mit dem Hafen von Königsberg in Verbindung bringt, steht bevor. Wichtige Eisenbahnlinien führen von Königsberg nach Osten Süden und Westen.

Der Großhandel nimmt eine übergeordnete Stellung ein. Der Königsberger Getreidehandel vermittelt zunächst, soweit notwendig, das ostpreußische Geschäft, sodann aber den Absatz des ostpreußischen Überschusses nach dem übrigen Reich und den nord- und westeuropäischen Ländern. Er bearbeitet ferner mit alter jahrzehntelanger Erfahrung das internationale Transitgeschäft zwischen den ost- und westeuropäischen Staaten. Es genügt, hier anzugeben, daß alljährlich gewaltige Mengen von russischen, litauischen, polnischen und rumänischen landwirtschaftlichen Erzeugnissen über Königsberg gehandelt werden, und daß hier namentlich der Handel mit den russischen Hülsenfrüchten zentralisiert ist, so daß Königsberg wieder, wie vor dem Kriege, der maßgebende Weltplatz für Hülsenfrüchte ist. Die Gunst der Königsberger Lage machte sich trotz des polnischen Zollkrieges in den letzten Jahren vorteilhaft bemerkbar. Das Transitgeschäft mit polnischem Getreide, insbesondere mit Buchweizen, nach dem Auslande war z.B. in den letzten Jahren recht erheblich. Ebenso hat Polen seinen Einfuhrbedarf an Getreide stark über Königsberg eingedeckt. Daneben findet der Königsberger Getreidehandel Beschäftigung in der Versorgung der Provinz mit Futtermitteln für die in Ostpreußen stark anwachsende Viehzucht. Diesen Artikel führt er teils aus Rußland, daneben aber in steigendem Maße aus Rumänien ein. Selbstverständlich pflegt er auch alle übrigen Zweige des Handels mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen und Bedarfsstoffen, wie das Kartoffel-, Saat-, Mehl- und Düngemittelgeschäft, für die sich sehr leistungsfähige Spezialfirmen entwickelt haben. Außer diesem führenden Großhandelszweig sind der Handel mit Kolonialwaren, Eisen und Eisenwaren, Flachs, Hanf, Hede, Häute, Felle und Leder, Baumaterialien und Kohlen, Textilwaren, der Holzhandel und der Brennstoffhandel von Bedeutung.

Der Königsberger Einzelhandel hat nicht nur die Aufgabe, die Stadt Königsberg mit ihren über 300 000 Einwohnern mit Waren zu versorgen, sondern außerdem noch ein weiteres Hinterland. Erklärlicherweise haben hauptsächlich diejenigen Branchen eine ausgedehnte Kundschaft außerhalb Königsbergs, die für die Befriedigung des Geschmackes sorgen, z.B. Modewaren, Bekleidung, Buch- und Kunstgewerbe. In erster Linie kommt hier die Bekleidungsbranche in Frage, welche auch in Königsberg weit an vorderster Stelle steht. So gibt es in Königsberg acht Firmen in der Bekleidungsbranche, die rund je 100 Angestellte und mehr beschäftigen. Bei einigen wird sogar die Zahl von 300 überschritten.

Gleichzeitig eine weit über den Stadtbezirk hinausgehende Bedeutung hat der Königsberger Buch- und Kunsthandel. In der berühmten Buchhandlung Gräfe und Unzer, Paradeplatz 6, besitzt Königsberg die größte Sortimentsbuchhandlung Deutschlands. Sie ist 1722 gegründet und zählt zu den Sehenswürdigkeiten unserer Stadt. Große Auswahl von Arbeiten ostpreußischer Künstler haben die Kunsthandlungen Riesemann und Lintaler, Bergplatz 15 und B. Teichert, Große Schloßteichstraße 8, vorrätig. Bei der Stellung, die Königsberg als geistiger Mittelpunkt unserer Provinz einnimmt, ist diese Bedeutung des Buch- und Kunsthandels verständlich.

Eine Sonderstellung nimmt der Handel mit Bernstein ein. Bernstein, ein versteinertes Harz aus der Tertiärzeit, kommt in nennenswerten Mengen auf der ganzen Erde nur einmal vor, nämlich an der Samlandküste in Ostpreußen. Die Gewinnung unterliegt dem Bernsteinregal, das von der Preußischen Bergwerks- und Hütten - Aktiengesellschaft, Zweigniederlassung Bernsteinwerke, Königsberg Pr., ausgenutzt wird. Der Bernstein wird in Palmnicken im modernen Tagebau auf bergmännische Art gefördert und an Ort und Stelle nach Form, Farbe und Größe vorsortiert. Die kleineren Bernsteinstücke werden geschmolzen und vorwiegend zu Bernsteinlack verarbeitet, der wegen seiner Härte geschätzt wird. Die größeren Bernsteinstücke wandern zum großen Teil in die Staatliche Bernstein-Manufaktur GmbH., Königsberg Pr., die Schmuck und Schnitzarbeiten daraus fertigt. Als typisch deutscher Artikel erfreut sich der Bernstein großer Nachfrage. Die Handelsbeziehungen der Manufaktur erstrecken sich auf nahezu alle Länder der Erde. - In Königsberg selbst bestehen mehrere gewerbliche Betriebe, die aus Bernstein Gebrauchs- und Schmuckgegenstände herstellen und auch in bedeutenden Mengen, besonders nach dem Orient, exportieren. - Erwähnenswert ist auch der Möbelhandel sowie der Handel mit Haus- und Küchengeräten, Glas- und Porzellanwaren.

Die Industrie tritt in Königsberg als eine ausgesprochene Hafen- und Handelsstadt hinter Handel und Verkehr zurück. Trotzdem hat sich, insbesondere in den Jahrzehnten vor dem Kriege, hier auch eine achtungsgebietende Industrie entwickeln können. Eine große Reihe von Betrieben hat im Wirtschaftsleben der Provinz Ostpreußen und weit darüber hinaus hohe Bedeutung gewonnen. In fast allen Industriezweigen haben die maßgebenden Firmen des Reiches Vertretungen in Königsberg eingerichtet, die zum Teil hier eigene wertvolle und moderne Anlagen besitzen.

Die Säge-Industrie, die in Ostpreußen überhaupt an erster Stelle anzuführen ist, ist auch in Königsberg durch zahlreiche Betriebe vertreten, zum Teil in Verbindung mit Unternehmungen für Hoch- und Tiefbau. Im Gegensatz zur Vorkriegszeit wird heute in erster Linie Holz aus den ostpreußischen Waldungen verarbeitet, da der Memelstrom für die Einfuhr russischen Rundholzes leider immer noch nicht freigegeben ist. Einen gewissen Ersatz bietet der Bezug polnischen Rohmaterials, das auf dem Bahnwege über Prostken herangeschafft werden kann. Der Absatz in hochwertigem Schnittholz geht im wesentlichen nach West- und Mitteldeutschland, in Bauholz nach den Ostseehäfen und an die verarbeitende und Bauindustrie der Stadt selbst.

In Verbindung mit der Säge-Industrie ist die holzverarbeitende Industrie zu nennen. Hier kommen einige große Werke mit Hunderten von Arbeitern in Frage, die Holzmassenartikel herstellen, insbesondere Fenster und Türen und in erheblichem Umfange nach überseeischen Ländern ausführen. Ferner sind einige Sperrplattenwerke zu nennen, die außerordentlich leistungsfähig sind. Als Besonderheit sei die Holzwarenfabrik Königsberg G.m.b.H. (die sogenannte "Spulchenfabrik") erwähnt, die aus ostpreußischem Birkenholz Nähfadenspulen herstellt.

Eine hervorragende Stellung nimmt unter den holzverarbeitenden Betrieben die Königsberger Zellstoff-Industrie ein, die durch die Koholyt A.-G. mit zwei großen am Pregel gelegenen Fabriken vertreten ist. Das Unternehmen, das nach englischem fachmännischen Urteil die modernste Zellstoffanlage der Welt ist, steht im Königsberger Wirtschaftsleben an führender Stelle. Die Zellstoff-Industrie bezieht ihr Rohmaterial nur zum geringen Teil aus der Provinz Ostpreußen, zum größten Teil aus den östlichen Randstaaten. Die erzeugte Zellulose hat in den letzten Jahren wieder flotten Absatz gefunden und geht zum größten Teil in das Ausland.

Von der in Königsberg bodenständigen Mühlen-Industrie ist besonders neben der Walzmühle die Königsberger Mühlenwerke A.-G. zu nennen, die in ihrer Schälmühle als Spezialität Fabrikate aus Erbsen, Hafer und Gerste herstellt und den Handel mit Hülsenfrüchten betreibt. Die Produkte finden Absatz in fast allen Ländern Europas.

Die eisenverarbeitende Industrie ist an erster Stelle durch die Waggonfabrik L. Steinfurt A.-G. vertreten. Sie stellt Eisenbahnwagen, Straßenbahnwagen, Karosserien, Maschinen und Wagen für landwirtschaftliche Zwecke her und ist für das Wirtschaftsleben der Provinz von größter Bedeutung. Außerdem gibt es eine Anzahl von Mittel- und Kleinbetrieben, Metallwarenfabriken, Geldschrankfabriken, Fabriken für die Herstellung von Apparaten verschiedenster Art und dergl. mehr. Erwähnt sei noch die E. Bieske A.-G., die sich in der Provinz und den östlichen Randstaaten, besonders für Pumpen- und Brunnenbau, eines guten Rufes erfreut und die Schiffswerft F. Schichau (Elbing), früher Schiff- und Maschinenbauanstalt Union. Auch die für Ostpreußen bereits erwähnte Landmaschinen-Industrie ist durch eine Reihe wertvoller mittelgroßer Betriebe vertreten.

Blick auf den Königsberger Dom 1939 Blick auf den Königsberger Dom 2003

Blick auf den Königsberger Dom 1939 und 2003




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